Dieser Text entstammt einem Artikel, den ich für das Aikido-Journal (Ausgabe 3/1999) schrieb. Klettern und Aikido Vor ein paar Jahren sagte mir eine Aikido-Freundin: »Klettern und Aikido ist fast das Gleiche«. Damals schien mir diese Idee absurd, inzwischen denke ich, sie hat beinahe recht. Zum Begriff: Free Climbing ist freies Klettern ohne Hilfsmittel. Material (Seil, Haken, etc) wird ausschliesslich zur Sicherung im Fall eines Sturzes verwendet, nicht zum Klettern. Das Ziel ist selten ein Gipfel (das wäre Bergsteigen), sondern eine möglichst schwierige Wand auf einem bestimmten Weg zu erklimmen. Sowohl Aikido wie Klettern...
Es gibt auch Unterschiede:
1993 begann ich mit dem Aikido, fast 2 m gross, schwer und Grobmotoriker. Trotz mehrerer Verletzungspausen kannte meine Begeisterung kaum Grenzen. Vor 2 Jahren traf ich Jenni Härtig wieder, die meinen ersten grossen Lehrgang geleitet hatte; sie meinte, ich hätte ja wirklich was gelernt und dass sie nicht erwartet hätte, dass ich dabei bleibe. Vor einem Jahr, während der Vorbereitung auf den 2. Kyu, warf mich eine erneute Verletzungsserie (Motorradstürze, etc.) völlig aus dem Training, erst jetzt könnte ich wieder ernsthaft trainieren. Vor drei Jahren lud mich ein Freund in Andalusien zum Klettern ein: Das erste Mal war schrecklich, falsche Schuhe, völlige Überlastung der Arme (bloss festhalten!), ich fühlte mich am Seil mehr als unwohl. Doch ich spürte, das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen, ich versuchte es wieder, mit rasch steigender Faszination. Im letzten Jahr konnte ich dadurch trotz meiner vielen Prellungen und Zerrungen weiter Sport zu treiben: Wenn eine bestimmte Bewegung, eine Belastung nicht geht, suche ich nach einer anderen Lösung oder verzichte einfach auf die Route, so kann der Körper ausheilen, ohne zu »vergammeln«. Beim Aikido, so meine Erfahrungen, brechen Verletzungen immer wieder auf, weil man zu zweit arbeitet: Ah, der ist gross und schwer, da brauche ich Kraft, denken sich meine Partner oft, vor allem unbekannte Partner. Und zack, wird herumgezerrt, zack, ist die Verletzung wieder da. Leider, trotz aller vielbetonten Harmonie. Klettern bietet mir persönlich gegenüber dem Aikido ein paar Riesenvorteile: Ich muss nicht in einer stickigen Halle zu festen Terminen erscheinen, sondern kann individualistisch meiner Outdoor-Leidenschaft frönen, wann mir danach ist (und es nicht regnet). Outdoor Klettern spricht meine Rätselleidenschaft an: Wie löse ich diese Route, wo ist der nächste Halt, wie muss ich ihn greifen, welches winzige Käntchen reicht, um drauf zu stehen? Mit meinen 96 kg bei 196 cm bin ich zwar zu schwer, um jemals wirklich gut zu werden, aber den 7. Grad gehe ich dieses Jahr an, meinen ersten Vorstieg im 7. habe ich bereits geschafft. Steht zu befürchten, dass Jenni am Ende doch noch recht hat und ich fürs Aikido vorerst verloren bin ... wenn auch (hoffentlich) nicht für immer. Das Aikido hat mir viel gegeben, für immer aufgeben möchte ich es nicht, mich nur für eine Weile umorientieren.
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