Virtuelle Verführung

Sie antwortete. Wir waren, wie es mir oft ging, über gemeinsame Interessen in Kontakt geraten, mailend, schreibend. Ich half ihr ein wenig dabei, einen Liebeskummer zu verwinden, sie erzählte mir voller Begeisterung von all den schönen und spannenden Gedanken, auf die sie dieser Freund gebracht hatte. Zu manchem wusste ich etwas zu sagen.

Meine Idee, gemeinsam erotische Geschichten zu schreiben, griff sie erst zögernd, dann mit Vehemenz auf, überraschte mich alle paar Tage mit einer neuen Story, und jede war besser als die zuvor, so daß ich mich darauf zu freuen begann, erst auf ihre Mails, dann, ihr zu begegnen, eines Tages, daß ich mit Bangen auf ihre Reaktionen auf meine Geschichten wartete.

Als ich ihr die folgende halbausgearbeitete Skizze zu einer Geschichte schickte, kam Leben in die Bude. Das Szenario hatte ich aus der Erinnerung, das Konzert, die Laterne, die Frau, sie waren da. Was sich entwickelte, passierte nur in meiner Phantasie. Erotic Fiction.

* * *

Miles was a mentat.

Open Air. Hamburg. Vor der Kunsthalle. Miles spielt seine rote Trompete, seine Band funkt und bobt und jazzt. Abgefahrene rote Musik. Sommersonne, ein Hauch von großer Welt, das dichtgedrängte Publikum grooved mit.

Frischer Sommer, Nachmittags noch ein Regenschauer, die Luft ist trotz Großstadt rein und klar. Trotz des beginnenden Abends ist es heiß, Junihitze, die Hitze eines erwachenden Sommers. Linden duften, Menschengeruch, von der angeregten Sorte. Schwalben schießen über den Platz, kann das Hamburg sein, mitten in der Stadt?

Ich würde gerne tanzen, aber es ist zu eng. Ich brauche Raum um mich herum, weite Bewegungen, Pirouetten, elegante Coolness ist mein Ding nicht. Nur ein wenig vom linken auf den rechten Fuß und wieder zurück, mehr ist nicht drin, schade. Aber welch Musik! Ich bin hingerissen, begeistert, aufgeregt.

Einen knappen halben Meter vor mir steht eine Laterne, so'n altmodisches Ding, Jugendstil, schwarz. In dem knappen halben Meter zwischen mir und der Laterne steht so'ne Kleine, Schöne. Werde ich nie begreifen: Die sieht doch gar nichts. Warum geht die in ein Konzert, wenn sie die Band nicht sieht, sondern nur den Rücken des Vordermanns?

Noch immer drängen Leute auf den Platz, zu klein, zu viele Karten verkauft. Irgendjemand drängelt, ich werde nach vorne gestoßen, falle fast über sie. Unwillig dreht sie sich um, grimmiger Blick. "Hey, sorry!" Mein schönstes Lächeln, ich weise auf das Gedrängel rundum. Ob ich sie auf die Schultern nehmen soll, daß sie auch etwas von Konzert sieht? "Nein!"

Miles spielt mich schwindelig, aber vergessen kann ich den Vorfall nicht, schließlich steht sie die ganze Zeit direkt unter meiner Nase. Ihr Schweiß, ihr Duft steigt zu mir auf, ich beobachte sie, folge ihren Bewegungen, möchte mit meinen Fingern eine Linie ihren Rücken hinunter zeichnen. Täte mir ja schon gefallen, täte sie. Schade, verpatzt.

*** to be elaborated ... her thoughts? ***

Irgendwann, ein paar Stücke später, dreht sie sich um, winkt mich zu sich herunter, schreit mir ins Ohr: Ob ich vielleicht doch, für einen Moment? Nichts lieber als das! Ich gehe in die Knie, lasse sie aufsteigen; sie ist schmal, leicht wie ein Floh, das kann ich aushalten.

Wie zufällige Berührungen beim Grooven, mein Kopf drückt sachte in ihren Bauch, ihre Füße drücken meine Flanken. Ihre nackten Beine auf meinen Schultern, muß ich mich zusammenreißen, nicht an den Innenschenkeln zu schnuppern, dran zu knabbern, nur meine Haare streichen dran entlang, wenn ich mit ihr mich bewege.

Gemaule hinter uns: "Ey, wir wollen auch was sehen!" Eine Weile ignorieren wir's, schließlich muß sie doch herunter. Dabei fällt mir der Fuß der Laterne auf: "Da kannst Du darauf stehen und Dich an der Laterne festhalten." Skepsis im Blick, probiert sie es aus, nach einer Minute: "Kannst Du mich stützen?" Bleibt mir sowieso nichts anderes übrig, inzwischen ist es so eng, daß ich fast von hinten an sie gedrückt werde ... nicht, daß ich etwas dagegen hätte. So habe ich einen Grund, meine Hände auf ihre Taille zu legen. Gefällt mir, ich spüre ihre Muskeln, wie sie sich in der Hüfte wiegt, ihre Locken kitzeln mein Kinn und meinen Mund. Wir tanzen, soweit die Enge es erlaubt, sie vor mir, beide zur Bühne gewandt.

Scheint es mir nur so, lehnt sie sich nur bequem zurück, oder drängt sie sich an mich? Ihr fester Po jetzt genau auf der Höhe meiner beginnenden Erektion. Bewegt sich, reibt im Rhythmus, wir schwingen auf den Sound von Miles' Electric Blues. Meine Erektion verstärkt sich, muß sie doch spüren? Viel Stoff ist da nicht, nur ihr leichter Flatterrock. Bin hin- und hergerissen zwischen peinlich und mich noch mehr an sie drücken. Und bin in der Hose nach unten eingeklemmt, unangenehm, fast schmerzhaft, müßte mal Abstand gewinnen und sortieren.

Während ich noch nach einer Lösung suche, läßt sie eine Hand an der Laterne los und greift, ohne sich umzudrehen, nach hinten, streicht über die Beule in meiner Hose: Ich erschauere, drücke ihre Taille zusammen, meine Finger graben sich in ihre Flanken, ich beiße mir auf die Lippen, um nicht aufzustöhnen. Wie in plötzlichem Entschluß, läßt nach ein, zwei Minuten auch die zweite Hand vom Laternenpfahl, sie verläßt sich jetzt ganz auf meinen stützenden Druck, ahnend, um nichts in der Welt würde ich sie jetzt fallen lassen. Streicht mit beiden Händen an meiner Vorderseite auf und ab, ohne die Nachbarn anzustoßen. Wie geschickt sie sich bewegt!

*** insert her version here ***

Sie - Hilfe! - sie öffnet die Knöpfe meiner Hose. Unterhose trage ich heute keine, so ist sie direkt am Ziel ihrer Wünsche, schließt den obersten Knopf wieder, nachdem sie mich ausgepackt und unter ihrem Rock versteckt hat. Ich schaue mich kurz um, merkt denn keiner was? Nein, alle sind auf Miles fokussiert, niemand achtet auf uns. Da hebt sie kurz den Hintern, biegt meinen Schwanz nach vorn; ich lande in etwas sehr Weichem, Nassen. Schnappe nach Luft.

Meine Hand wandert nach vorn, nach unten, doch sie schüttelt den Kopf, greift nach meiner Hand und legt sie wieder auf ihre Taille. Sie guckt sich nicht um, guckt mich nicht an, hält mich auf Abstand. Beginnt wieder zu tanzen, reibt sich an mir. Meine Spitze steht in Flammen, sie ist so weich, sie schließt ihre Schamlippen darum, schiebt sich vor und zurück, auf und ab, im Rhythmus der Musik. Ich kann nur an ihren Haaren knabbern, fühle mich weich in den Knien, bin anscheinend dafür verantwortlich, daß wir den Umstehenden nicht auffallen; sie bewegt sich zwar vorsichtig, aber völlig entrückt.

Eine weitere Bewegung ihrer Hüfte und ich gleite leicht in sie hinein, ich spüre, wie sie zittert. Sie ist weich, offen, erwartend, fordert mich mit ihrem sacht kreisenden Hintern. Bei einem langen, lauten Trompetenstoß schiebe ich mich ganz in sie hinein. Ihren kleinen Schrei erahne ich mehr als daß ich ihn höre, Miles übertönt sie mit seinem Solo. Ihre Hände liegen jetzt auf ihrem Mund, ihr Kopf an den Übergang zwischen meinen Hals und meiner Schulter gelehnt, ihr Körper in einem Bogen, erst ihr Hintern berührt mich wieder, sie sitzt beinahe auf mir. Zittert. Schauert. Rührt sich fast nicht mehr. Hält mich fest, in sich, hält sich mit ihrer Scheidenmuskulatur an mir fest.

Die Trompete schreit, die Band rast durch die Harmonien, als wüßten sie, was wir hier tun. Minutenlang verharren wir so, berauscht von der Musik, von unserem Tun, von unserem unerwarteten Mut, von dem Pochen, wo wir uns berühren, tief ineinander.

Schluß 1:
Miles ist fertig. Verläßt die Bühne. Alles klatscht, johlt, pfeift, fordert Zugabe. Jemand stößt mich an, ich soll mitklatschen. Oh. Ja. Ach ja. Hey, ich hab zu tun, bin beschäftigt.

Schluß 2:
Wir explodieren, sie dreht sich kurz um, lächelt schief, drückt mir etwas in die Hand und verschwindet. Es ist eine Telefonnummer. a) Ihre. b) AIDS-Beratung.

Schluß 3:
Wir explodieren im Schlußakkord, bei der Zugabe setzt sie sich noch einmal auf meine Schultern, unsere Säfte rinnen mir den Rücken hinunter, ziehen eine Spur, die sie am nächsten Abend findet, als wir uns wiedersehen.

* * *

Kurz nachdem ich ihr dieses unfertige Fragment einer Geschichte geschickt hatte, kam ihre Mail: Du hast es wieder einmal geschafft,daß ich mich nicht mehr konzentrieren kann. Zu gut kann ich mir auch Deinen Zustand vorstellen, schade zu weit weg. Ich muß gleich zu einer Besprechung, wie spricht man über neute Titelbilder bei Reisekatalogen, wenn man ganz heiß ist. Na, es wird mir nichts über bleiben, als mich ganz züchtig hinzusetzen, meine Beine übereinander zu schlagen, versuchen, still zu sitzen, jede Bewegung, jedes Reiben meiner Schenkel aneinander vergrößert nur mein Verlangen nach Erfüllung keine Möglichkeit, nur unverbindlich Lächeln, der Gedanke daß keiner der Männer weis, an was ich in Wirklichkeit denke gefällt mir. Wie oft haben eigentlich Männer solche Gedanken? Ich meine bei der Arbeit.

Hey, lass das, was machst Du gerade mit mir, ich spüre Dich gerade am ganzen Körper, wieviele Hände hast Du eigentlich? und bitte wo vergräbst Du gerade Deine Zunge, bitte lass das! ich muß in 10 Min. auf Besprechung.

Allein die Vorstellung, daß Du mir Deine Hände zur Verfügung stellst, läßt ein ganz tolles Kribbeln aufkommen. Wie wäre erst das Gefühl, wenn ich an den Rest denke. Lieber nicht, ich rutsche auch so schon ganz ungeduldig auf meinen Sessel herum, kaum noch besteht die Möglichkeit, meine Yin in Zaum zu halten, sie ist drauf und dran, sich zu verselbstständigen, beginnt ganz warm und feucht zu werden. Ich werde wohl heute abend ganz lieb zu ihr sein um sie wieder zu beruhigen.

Folge: Es reicht. Ich halte es nicht mehr aus, wie soll ich arbeiten, wenn ich auslaufe? Wenn ich mich nur nicht verplappere! Ich muß Dich sehen, Dich spüren. In mir.

Schon vorher hatten wir Pläne gebastelt und umgeworfen. Ob sie je verwirklicht würden, blieb unklar. Virtual Reality. Diesmal würde es geschehen. Freitag wird sie hier sein.

* * *

Ich holte sie vom Flughafen ab. Wie schön, daß es wieder heiß war, nach ein paar kühleren Tagen. Ich hatte sie gebeten, kurz vor dem Anflug sich umzuziehen, ein schönes Kleid, keine Unterwäsche.

Ihr Blick aus dem Fenster: Braune Wüste. Meer. Ein kleiner Flugplatz an der Küste. Schon beim Aussteigen aus dem Flugzeug begrüßte sie der heiße Wind, er streichelte sie, fegte unter ihr Kleid, nahm ihr den Atem, sie schmeckte das Salz in der Luft. Kleine Windhosen wirbelten über die Landepiste, sagten ihr: Du bist jetzt woanders. Laß Dich berauschen.

Obwohl wir einander nie gesehen hatten, fanden wir einander leicht. Es muß der Blick der Suchenden, der Süchtigen gewesen sein, die uns einander sofort erkennen ließen. Meine Hand fuhr ihr über den Bauch, über den Hintern, ich wirbelte sie herum, nahm sie auf den Arm, fühlte unter den Rock, trotz leisem Protest nass, schon jetzt, mitten unter den sich Begrüßenden. Ich fuhr mit ihr an die Steilküste, eine Hand zwischen ihren Beinen ruhend. Ihre Hand zwischen meinen, erste Worte, schau auf die Landschaft, ans Cabo, wir kletterten hinunter zu einer kleinen Bucht. Sie war an den Felsen ebenso sicher wie ich, das gefiel mir.

Schade, wir sind nicht die Einzigen, es sind noch Leute hier. Ich erinnere mich, wie ich einmal mit einer Freundin hierher kam und ein Paar beim Vögeln überraschte. Sie waren erst gestört, deckten sich mit einer Jacke notdürftig zu, machten aber, nachdem wir uns nicht um sie kümmerten, nach einer Anstandspause weiter, ohne sich überhaupt getrennt zu haben. Aufregend zuzugucken. Ich erzählte ihr davon. Erzählte ihr, wie lustig das von Ferne aussieht, so ein auf und ab hüpfender Hintern, der versucht, heimlich zu sein.

Ich setzte mich auf einen Fels, Gesicht zum Meer, zur Gischt gewandt. Sie setzte sich vor mich, wir schauten auf's Meer, schmiegten uns zum ersten Mal aneinander; warmer scharfer Wind zauste meine Haare, zauste ihr Kleid, Brandung warf Salz auf uns. Wir genossen die Gewalt der Natur, überließen uns dem Getöse. Ich hielt sie, streichlte sie, wir erzählten. Sie öffnete meine Hose, setzte sich auf mich, ich landete in etwas Weichem, Warmem, Nassen. Sie zitterte, maunzte. Wer uns sah, sah sie einfach auf meinem Schoß sitzen, ein schmusendes Paar. Die anderen Leute hier waren mit sich selbst beschäftigt, aber ein Blick schien unausweichlich.

Lange verharrten wir in der Position, die ich in meiner Geschichte beschrieben hatte, ließen sie wahr werden in ganz anderer, nicht weniger aufregender Umgebung: Sie saß auf mir, mich tief in ihr, den Körper gebogen, lehnte den Kopf an meinen Hals, gelegentliche Kontraktionen, meine, ihre, sie nahm auf. Nahm mich auf, nahm den Wind auf, hörte die krachenden Wellen, spürte ihre Erschütterungen, nahm einen Arm in den Mund, leckte das Salz auf, Schweiß und Gischt. Lauschte auf die Melodie das Sturms, sie kam aus Miles' Trompete. Ihr Kuß hielt mich im Bann, ich vergaß das Meer.

Angekommen. Vergänglicher Moment, doch wahr. Schwebte. Ich spürte sie. Ich spürte sie zittern, ich spürte sie sich tief innen bewegen, ich spürte ihren Ton.

Laß Dich von mir tragen.

Breite Deine Schwingen aus.

Fliege!

* * *

Eben erreicht mich Deine Mail. Du kommst wirklich. Freitag bist Du hier. Wirst aus dem Flugzeug steigen und meinen Arm stürmen.

 

 


(c) Stephan Eichenlaub, April 2000

Geschichte einsenden: stephan@eichenlaub.net

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