(the english version)

Morihei Ueshiba (O-Sensei)

Aikido

Weil ai (=Harmonie) eine Einheit bildet mit ai (=Liebe), habe ich mich entschlossen, meine Form von Budo "ai ki do" zu nennen, obwohl der Begriff aiki sehr alt ist. Dieser Begriff, der in der Vergangenheit von Kriegern benutzt wurde, unterscheidet sich dem Sinn nach allerdings grundsätzlich von dem Inhalt, den ich diesem Begriff beilege.

Aiki ist keine Kampftechnik, keine Technik, den Feind zu besiegen. Es ist ein Weg, die Welt wieder in Einklang zu bringen und alle Menschen zu einer Familie werden zu lassen.

Wahres Budo ist ein Werk der Liebe. Es ist das Werk, allen Lebewesen wahres Leben zu ermöglichen. Es bedeutet nicht zu töten oder der Kampf 'Jeder gegen Jeden'. Liebe ist der Wächter über Allem. Nichts kann ohne sie existieren. Aikido ist die Verwirklichung der Liebe.

Budo

Budo heißt nicht, den Gegner niederzuwerfen durch unsere (körperliche) Kraft. Es heißt genausowenig, die Welt mit Waffengewalt zu zerstören. Wahres Budo bedeutet, das Wesen des Universums anzuerkennen, den Frieden zu bewahren und alle Lebewesen in der Natur zu fördern, zu beschützen und zu pflegen. Das Budo-Training bedeutet, die Liebe zu übernehmen, die alle Lebewesen (ihren Bedürfnissen nach) fördert, beschützt und pflegt und diese Liebe aufzunehmen und nutzbar zu machen in unserem Geist und für unseren Körper.

Wahres Budo ist liebendes Beschützen aller Lebewesen im Sinne einer Versöhnung. Versöhnung bedeutet, die Vollendung des Auftrags eines jeden Menschen zu erlauben.

Für Aikido ist ein Denken erforderlich, das dem Frieden der gesamten Menschheit dient - und nicht ein Mensch, der denkt er sei stark und dessen einziges Ziel darin besteht, den Gegner zu besiegen.

Es gibt im wahren Budo weder Gegner noch Feinde. Aus diesem Grunde ist weder Wettkampf noch Verlieren oder Gewinnen wahres Budo. Wahres Budo kennt kein Verlieren. "Niemals Verlieren" heißt niemals kämpfen.

Feinde

In meinem Budo gibt es keine Feinde. Es ist ein Fehler zu denken, daß Budo bedeutet, einen Gegner oder Feind zu haben, jemanden zu haben, bei dem Du stärker sein kannst, jemanden, den Du besiegen willst. Im wahren Budo gibt es keinen Feind oder Gegner. Wahres Budo heißt Eins werden mit dem Universum.

Im Aikido trainieren wir nicht, um stark zu werden oder um den Gegner zu Boden zu werfen. Im Gegenteil: wir trainieren in der Hoffnung, nützlich zu sein, wie klein unsere Rolle auch sein mag bei der Aufgabe, der Menschheit den Frieden zu bringen. Durch diese Hoffnung werden wir Eins mit dem Universum.

Wenn ein Feind versucht, mit mir zu kämpfen - sozusagen mit dem Universum selbst - muß er die Harmonie des Universums stören. Schon in dem Moment, in dem er an einen Kampf mit mir denkt, ist er besiegt ... Diejenigen, deren Gedanken einen falschen Weg gehen oder deren Gedanken disharmonisch sind, haben von vornherein verloren.

Training

Beim Aikido mußt Du ständig gewissenhaft und streng trainieren. Dabei solltest Du nicht nachlässig werden und voller Hingabe üben. Du mußt dich ständig bemühen, Fortschritte zu machen. Gleichzeitig mußt Du Dir ständig darüber im Klaren sein, was Du gerade getan hast. Als Ergebnis wirst Du Deinen Körper entwickeln und stärken, und er wird im Gleichgewicht sein mit Deinem Geist.

Aiki

Aiki hat eine Form und ist gleichzeitig formlos. Aiki ist ein Leben, das eine bestimmte Form hat und gleichzeitig fließt und sich verändert. Es drückt sich selbst dadurch aus, daß es sich verändert. Eine Form ohne Form ist ein Wort und ein Gedicht, das das Universum als grenzenlos beschreibt.

Mitsugi Saotome

die Einheit des Aikido

Oft lernen Menschen 'aikido', aber sie lernen nicht 'AIKIDO'. Sie trainieren ikkyo oder shihonage oder iriminage und denken dabei: "Das ist der richtige ikkyo. Das ist der korrekte shihonage." Das ist Unsinn. Anstatt die Techniken zu Übungszwecken voneinander zu unterscheiden, müssen wir lernen, ihre Gleichartigkeit zu sehen, die Anwendung des gleichen Prinzips, das gleiche philosophische Resultat. Es gibt keinen perfekten ikkyo; jeder ikkyo ist korrekt, wenn er spontan, gewissenhaft und in Harmonie mit der jeweiligen Situation ausgeführt wird. Denn für jede einzelne Situation ist Grad und Richtung der Energie unterschiedlich: Deine Position ist jeweils eine andere, Deine Gefühle sind jeweils andere; deshalb muß die Anwendung auch jeweils eine andere sein.

Respekt vor Unterschieden

Blinde Loyalität ist meistens gefährlich, denn nur allzu leicht wird die Idee von Loyalität und Gerechtigkeit verwechselt mit Machtstreben und Selbstsucht. Egoisten haben keinen Respekt vorm Anders-Sein. Selbstsucht fordert:" Jeder denkt wie ich, jeder ist wie ich." Wie würdest Du Dich fühlen, wenn jedes Gesicht nur ein Abbild Deines Gesichts wäre, wenn jedes Denken nur Deine Gedanken wiedergeben würde? Menschen reden über Harmonie, aber sie haben keinen Respekt vor anderen Ideen oder einem anderen Weg. Harmonie lernen heißt, den Respekt vor Unterschieden lernen. Es heißt auch zu lernen, die Einheit in diesen Unterschieden zu erkennen.

Aggression

Wenn Du keine Aggressionen hast, kannst Du nicht überleben ... Wenn Dich jemand angreift, und Du kannst keine Aggressionen aufbauen, kannst Du Dich nicht verteidigen, stimmt's? Aber: wenn der Angriff kommt, baust Du Harmonie auf. Diese Form von Gleichgewicht findet man in vielen Systemen. Aggression ist die Möglichkeit, ein System zu handhaben durch Rückkoppelung und Ausgleich.

Die Schwierigkeit bei der Aggression ist, daß sie gesehen wird als Krankheit, als Wahnsinn, als egoistisch und unausgewogen. Wenn Du auf der Matte eine Technik mit zu viel Aggression ausübst, verlierst Du Dein Gleichgewicht, Dein Zentrum. Deshalb meinen die Menschen, Aggression sei nicht gut. Aber das ist falsch. Wenn Aggression durch Rückkoppelung reguliert wird, ist Harmonie da. Das ist AIKI.

Wachstum

Menschen gewinnen Sicherheit, wenn ihnen gesagt wird: dies ist richtig, jenes ist falsch. Aber so einfach ist das nicht. Ein Lehrer kann Dir lediglich einen Hinweis geben. Er kann Dir lediglich den WEG zeigen, er kann ihn aber nicht für Dich gehen. Du mußt die WAHRHEIT für Dich selbst finden. Sowohl Lehrer als auch Schüler müssen eine wissenschaftlichere Haltung bei ihrem Training annehmen. Auf eine dumme Frage bekommst Du eine nichtssagende Antwort. Keine sinnvolle Frage, keine mühevolle Suche ... kein wahres Wachstum.


Übersetzung aus dem Englischen: Elke Haas.

Hits seit dem Umzug am 1.4.1999: