Im Frühtau zu Berge wir ziehn, Falleraah!

Suche nach der Kletterroute ... wo geht's lang?Gegen 10:30 bestelle ich das Frühstück, sitze eine Weile mit 5x Cafe con Leche und Tostada con Mermelada allein, erkläre, ich würde es demnächst alleine aufessen, da trudeln die Fertigen ein. Langsam aufwachen für alle, um halb zwölf doch immerhin auf dem Weg. Einen km spare ich mir, Tigerchen trägt mich bis zum Eisenbahntunnel, der Rest geht des Erlebnisses wegen komplett zu Fuß. Straight ahead, direktement zu unserer Wand 'Choto medio', heute die nächste Schwierigkeitsstufe angehend. Ich steige vor, rutsche einmal ab als ich schon etwas über der zuletzt eingehakten Sicherung bin (ich später zu Johannes: 'So schnell geht das mit dem Leben retten.'), verdonnere alle zum Schweigen, wer lästert, darf selbst vorklettern. In vermutlich unmenschlicher Selbstbeherrschung schaffen sie es sogar, aber hinterher steigt einer nach dem anderen nach und erklärt, es sei doch ganz einfach gewesen. Ist es auch, im Nachstieg. Schöne Tour aber. Los locos alemanes haben nunmal das Seil in der Wand und wollen es nutzen, also klettern wir die gesamte Siestazeit hindurch schattenfrei einer nach dem anderen zwei aneinanderliegende Routen, bis wir alle von der Sonne ganz blöd im Kopf sind.

Hinunter zum Bach, hier öffnet sich die Schlucht von unten in ein kleines Tal, an dessen Ende ein schönes kleines Schwimmbecken liegt. Durch den Bach und noch ein paar hundert Meter gelaufen, Badehose, und plumps ... nein, nicht plumps, zu überhitzt sind wir, das Wasser erscheint kalt, langsam angewöhnen, da nennt Mark mich Memme und fällt mich an, um mich hineinzuschubsen. Zu trägeCamino del Rey bin ich, mein Aikidowurf kommt zu schlapp, aber immerhin stürzen wir zusammen. Johannes hat's dokumentiert.

Die Schlucht schon von oben vom Bahndamm aus begutachtet, wollen Dirk und ich sie nun von Nahem erkunden, Johannes und Mark kommen mit, Gerd bewacht. Die Schlucht liegt mittlerweile im Schatten, das Wasser ist kühl, die Luft kühler, aber die Felsen immer noch warm, herrlich zum Draufliegen: Aufwärmen und zugucken, während wir nacheinander die Hindernisse überwinden. Einen Weg gibt es nicht, nur den Bach mit Felsen von Tisch- bis zu Zimmergröße darin, ab und zu kleine Wasserfälle. Teils schwimmend, teils kletternd, einmal unter zwei Felsen durchtauchend arbeiten wir uns voran, bis JohannesCamino del Rey, gegenüber an einer schwierigen Stelle das Signal zum Rückzug gibt. Meint er nur sich oder meint er alle? Egal, ich will weiter, es ist zu großartig hier zum Umdrehen. Mark und ich exploren alleine, Traumlandschaft, out of words to describe, bis ein vielleicht 20m tiefer Wasserfall das Ende markiert -- Bohrhaken sind zwar da, abseilen im Wasserfall wäre möglich, aber wir haben weder Seil noch Photoapparat dabei. Um ein paar lärmenden Spaniern auszuweichen, nehmen wir zurück die schwierigeren Stellen, erklettern kurze Wasserfälle bis zu vier Metern, welch ein Spaß! Wasserfallklettern ist ganz anders und durchaus einfacher, als ich es mir vorgestellt habe, dem herabstürzenden Wasser kann ich mit dem Körper meist ausweichen, die Füße nagelt es schon auf kleinen Vorsprüngen fest, der Wasserdruck erlaubt, sich zwischen zwei Felsen zu verkeilen, woKlettern vom Camino del Rey aus - in 100m Höhe sonst wenig Halt gewesen wäre. Welch ein Geschufte, welch eine Anstrengung, welche Gefahr gesucht und bewältigt -- und welch ein unglaubliches Vergnügen!

Stephan high: Schon die Landschaft wirkt unwirklich, weit außerhalb normaler Erfahrung, ruft in mir Staunen und Ehrfurcht vor den Kräften und der Schönheit der Natur hervor wie nur einmal zuvor in meinem Leben, mit neun Jahren an den Plitvicer Seen in Yugoslawien. Dazu die Begeisterung, der Kick des Durchkletterns und Erforschens -- Adrenalin und Endorphin pur mal wieder: Die besten Drogen macht der Körper selbst. Mark erzählt dann auch nachher: 'Den hättet Ihr sehen sollen, der war total drauf! Weit aufgerissene Augen, strahlend, völlig weggetreten.'

Dennoch gut, daß wir zu zweit waren -- alleine wär's zu gefährlich, man könnte sich nicht gegenseitig helfen und vor allem, jemand merkt überhaupt, wenn etwas schief geht, kann den anderen abschleppen oder Hilfe holen.

Danach noch einmal Klettern, Dirk soll, will und darf vorsteigen, eine bekannte Tour von gestern, das ist schwer genug für's erste Mal. Erwartungsgemäß wirkt er recht besorgt und ein wenig ratlos, obwohl Johannes ihn zuverlässig am Seil hält, als er erstmals über die Sicherung hinaus muß, was ich im Bild festhalte. Gleich ist's geschafft ... 6b, entsprechend VII+Zu meinem zweiten Bild 'Dirk lernt Respekt' komme ich nicht, alleine schon die Ankündigung peitscht ihn in weiten Sprüngen die Wand hoch, während ich in Position krabbele. Setze ich mich also an die gegenüberliegende Mauer und schaue genüßlich zu; als Dirk oben ist und sich selbst sichert, setzt sich Johannes zu mir, und wir lästern gemeinsam ein wenig ab. Immerhin, als Dirk endlich wieder unten angekommen ist, ringt er sich ein (um ein Haar zu lautes) 'War doch ganz einfach!' ab. Jeder darf noch einmal, Johannes hängt um, erschöpft beenden wir den Tag.

Keine weiteren besonderen Vorkommnisse, nochmal gut Essen, schlafen und am nächsten Morgen verschlafener getrennter Aufbruch. Wir sehen uns in einem Monat in KO, Ciao.

Eigentlich eine typische KORP-Aktion Sonnenstich Aktion(Für die Uneingeweihten: KORP=Koblenzer Outdoor Recreation Program, eine studentische Initiative mit vielfältigem Programm: Klettern, Surfen, Höhlenwandern, Segeln, Reiten, Mountainbiken, Skilaufen, ....) mit einigen KORP-Leuten dabei, nur spontan entstanden. Ich bin erst seit einem Jahr bei KORP, abenteure aber für mich alleine schon seit vielen Jahren, war dabei immer ein wenig traurig, das Schöne, das ich erlebe, nie mit jemandem teilen zu können, am liebsten mit einer geliebten Frau. Doch Fehlanzeige, es hat nie jemand mitgemacht, auch meine Freundinnen nicht. Erstmals also solche Erlebnisse in Gemeinschaft, auch wenn es 'nur' Kumpels waren -- das war diesmal vielleicht das eigentliche Erlebnis für mich.


Anmerkung: Die meisten Bilder auf dieser Seite und einige auf der vorherigen sind 2 Monate später am gleichen Ort entstanden.