Los Cahorros bei Monachil/Granada

Los Cahorros ist ein Wander- und Klettergebiet etwa 15km südöstlich von Granada Richtung Sierra Nevada, eine beeindruckende Schlucht mit vielleicht 200 Routen, gerated zwischen III und VIII+ oder so -- dort waren wir (Johannes, Dirk, Mark, Martin, Gerd und ich) gestern nach den Lektionen. Kletterführer gibt's vor Ort in der letzten Bar auf dem Weg, zwei alte Leutchen drin als Inhaber, die nicht danach aussehen, als hätten sie irgendwas damit zu tun. Sicherungen bestehen durchweg aus kleinen Plättchen mit 10mm- oder 8mm-Schrauben im Fels. Nicht sooo vertrauenserweckend, auch wenn auf den meisten Touren alle paar Meter welche zu finden sind.

Landschaft: Steile Felsen, meist dunkler oder rötlichgelber Kalk. Schlucht mit dicken Felsen und Bach untendrin, selbst im August noch frisches Wasser führend, mit Wasserfällen drin zum Erfrischen. Sowohl sonnige wie schattige Plätzchen und Touren.

Hängebrücke

Quer über den Bach in etwa 10m Höhe eine Hängebrücke mit teils ausgebrochenen, teils morschen Bodenbrettern, nur zu Fuß und besser mit zwei freien Händen zum Festhalten an den Drahtseilen zu überqueren. Durchaus mulmig und man wird gewarnt, nur maximal zu dritt die Brücke zu betreten. Besser ist's eh, einzeln zu gehen, weil man sich dann an den Schaukelrhythmus der Brücke anpassen kann. Kann man sich beidhändig halten, überwiegt der Kitzel, muß man wegen Ballast einhändig drüber, ist's deutlich unangenehm.

Klettern selbst: Wir fanden eine V+ nahe der Brücke mit einer III als Seiteneinstieg; nehme ich also die III, um das Seil hochzubringen. Sollte einfach sein, ein Spaziergang. Der Einstieg ist locker, wie Leiter. Aber keine Haken zum zwischendrin Einhängen, das erzeugt ein mulmiges Gefühl, auch wenn die Tour soweit klettertechnisch simpel ist: Rutsche ich aus irgendeinem Grund doch ab, Kreislaufschwäche oder was auch immer, falle ich ohne Zwischenhalt bis zum Boden.

Die erste Schwierigkeit eine in ca 10m Höhe etwas herausstehende Platte, ich kann nur entweder außen drauf (das ist dann keine 3 mehr, Tendenz 4+ nach meinem Gefühl) oder zwischen der Platte und dem Fels entlang, quer durch einen Weinstock. Weit und breit keine Sicherung und ich habe kein Material zum Selberlegen von Sicherungen. Einige Male teste ich auf verschiedene Weise sowohl den Ausstieg nach außen auf die Platte wie auch die verschiedenen Antritte innen durch -- gefällt mir alles nicht. Klettertechnisch eigentlich alles kein wirkliches Problem, aber ich bin zu hoch für Experimente, hier muß alles stimmen. Außen ist mir zu ausgesetzt, innen der Weinstock und viel Staub und Dreck, ganz abgesehen vom Naturschutzgedanken: Als Kletterer sollte man nichts kaputt machen.

Nachdem ich genug auf der Entscheidung herumgekaut habe, der Entschluß, doch innen durchzutauchen, dabei 5m Höhe gutzumachen, eine staubtrockene Schufterei, den Wein im Nacken. Erst oben drauf der erste Haken, seitlich neben mir auf der V+~Route, hinüberbalancieren, einhängen.

Weiter rauf sieht's aber schwierig aus, also zurück zur vermeintlichen III, einen Riß entlang, der immer weniger griffig wird, nach einigen Metern etwas oberhalb ganz aufhört und in eine Platte übergeht. Johannes, der mich von unten sichert, sieht mich nicht mehr, Rufen ist wegen des Bachmurmelns und des Windes wenig ergiebig; er weiß nicht, was ich tue, hält daher das Seil mehr fest als nötig, zieht mich gelegentlich fast herunter; Mark als Dritterfahrenster könnte als Relais agieren, weil er etwas abseits steht und uns beide sehen kann, ist aber nicht instruiert, denkt nicht genügend mit und beschäftigt sich oft mehr mit dem Kühlung verheißenden, plätschernden Bach als mit uns. Ist ja auch langweilig, nichts zu tun zu haben, während der da oben Ewigkeiten braucht.

Eine knifflige Plattenkletterei schließt sich an, für mein Gefühl deutlich im 5er-Bereich, immer noch technisch machbar, aber doch viel schwieriger als erwartet und weitere Haken sind nur unerreichbar weit links neben mir in der eigentlichen V+~Route, keine Chance hinüberzugelangen. Mein Problem ist eher mental: Wenn ich nun abrutsche ... Schließlich komme ich 2m oberhalb der Endsicherung der V+~Route auf einem abschüssigen Plateau heraus, über 10m oberhalb der letzten gelegten Sicherung: Falle ich hier herunter, geht's mehr als 20m abwärts.

Zum weiteren Sichern finde ich keine vorinstallierten Haken auf meiner Höhe, muß daher improvisieren: Ich lege deshalb eine Bandschlinge um einen stacheligen Busch oberhalb meines Aufstiegs und klinke mich dort ein, klinke dann ein Karabiner-Pärchen direkt an einen Ast eines weiteren Busches 3m weiter links, oberhalb der anvisierten Endsicherung -- alles nicht toll, aber vielleicht bremst es ja etwas im Ernstfall ... jetzt erstmal Pause, kurz entspannen.

Johannes ruft, Johannes schreit, der Wind ist laut, der Bach murmelt -- was will er? Oh, von den 50m Seil liegen nur noch 15m am Boden, und ich brauche doch die Hälfte, um mich abseilen zu können. Ein paar Meter kann man sicher gewinnen, wenn das Seil nicht mehr durch den Weinstock abseits verläuft, aber es hilft alles nichts: Ich bin zu hoch, 25m tief kann ich mich maximal abseilen und ich bin drüber.

Ich muß also hinunter zumindest bist zur oberen Sicherung der Hauptroute: Bis dorthin abzuseilen traue ich mich nicht, weil ich meiner improvisierten Sicherung nicht traue, also Hinabklettern, hoffen, daß nichts passiert, hoffen, daß sie im Zweifelsfall doch halten. Schluck. Hinabklettern aber ist sowieso immer schwieriger als Hinaufklettern, und ich muß in die schwerere Route hinein: Mir ist gar nicht wohl zumute.

Immer wieder Rufe von unten: 'Stephan, was machst Du?' Weiß ich auch nicht so recht. Ich fürchte mich. Ich bastle notdürftige Sicherungen. Ich bekämpfe meine Angst. Angst essen Seele auf und das kann ich gerade überhaupt nicht brauchen. Adlerschwingen brauche ich. Jetzt lästern die auch noch! Kerls! Gebt Ruhe da unten, ich muß mich konzentrieren! Macht mir keinen zusätzlichen Streß jetzt!

Welche Auswege gibt es? Kühlen Kopf bewahren, nachdenken: Ich spiele mit dem Gedanken, das Seil abzuwerfen und die leicht aussehende Route nach oben weiterzugehen bis zum Kamm (wäre ein Riesenfußmarsch geworden für mich, einmal oben um die ganze Schlucht herum), doch wer weiß, ob es wirklich bis oben hin so leicht weitergeht, wie es von hier aus aussieht? Ich habe mich heute ja schon einmal verschätzt und dann stünde ich ohne Seil mittendrin und kein Weg nach oben und keiner nach unten -- und Johannes möchte ich es nicht antun, mich aus der Wand wieder herausholen zu müssen und dann hier gemeinsam vor dem immer noch selben Problem zu stehen. Den Weg, den ich gekommen bin, komplett wieder hinabzuklettern, ist völlig unattraktiv, seitliches Ausweichen gar ganz unmöglich.

Bleibt mir also nicht anderes übrig, als den ersten Plan weiterzuverfolgen: Hinab zur V+~Endsicherung, so seltsam die auch aussieht von hier. Sie besteht aus zwei Plättchen, einen kleinen Kette mit dünnen Gliedern dazwischen und einem 0-förmigen Schraubkarabinerchen, alles gut angerostet. Nicht gerade vertrauenserweckend, ziemlich mulmige Geschichte, das Ganze.

Ich schaue mir den Fels gut an, finde unter mir zwei Stellen, an denen ich gut stehen könnte, leider zu weit unter mir und untereinander, um sie bequem und gefahrlos zu erreichen. Zur oberen der beiden muß ich mindestens, vielleicht kann ich von dort das Kettchen erreichen; ich präge mir ein, wo die Füße hinmüssen, schmiege mich an den Fels und lasse mich an zwei kleinen schrägen Griffchen vooorsichtig hinunter. Solange ich mit dem Oberkörper oberhalb der beiden bin, alles ganz ok soweit, schwierig wird's, als sich die Kraftvektoren ändern, ich mich nicht mehr von oben aufstützen kann, sondern je tiefer ich komme, umso mehr seitlich hineingreifen und Druck geben muß, ohne zwischendurch umgreifen zu können. Ist das übel, der Kloß im Hals wird immer größer! Erst mit den Armen auf Kopfhöhe finden meine Füße endlich den ersehnten Halt, welche Erleichterung, ich stehe wieder anständig in einer kleinen Aushöhlung.

Die Sicherung liegt immer noch unter mir, ich hocke mich hin, komme nicht dran mit der Hand; ich setze mich, die Füße baumelnd, mit einer Hand mich haltend, mit der anderen hinunterlangend, es reicht gerade eben nicht; ich balanciere wieder auf, drehe und setze mich anders herum, das könnte reichen. Eine lange Bandschlaufe nehme ich, beuge mich noch einmal noch weiter herunter, fingere sie einhändig um die Kette, im dritten Anlauf geschafft, ziehe mich wieder hoch, klinke einen Karabiner in Gurt und Schlaufe, Uff! Soweit erstmal gesichert, wie jetzt weiter?

Die Lage: Die Kette hier ist wenig vertrauenswürdig, das Seil evtl. auch für hier zu kurz, mein Material noch über mir im Gebüsch und das Seil läuft auch noch oben durch. Ich muß also noch einmal hinauf, alles abbauen und wieder hierher, bevor ich mich endlich abseilen kann. Hat denn das kein Ende irgendwann? Ruhe! Nerven bewahren! Angst bewältigen! Hier ist kein Platz für Angst, ich brauche meinen Kopf und Bauch für mich selbst.

Noch einmal hoch muß ich also. Bevor ich aufsteige, schaue ich noch einmal aus dieser Perspektive den Fels genau an und entdecke einen etwas leichteren Weg vom Stachelbusch rechts oberhalb, wo ich die Bandschlaufe drumherum gelegt habe: Den werde ich nutzen, um wieder hierher zu gelangen. Einige Meter Raum brauche ich von der Kette, um überall hinzugelangen, verlängere die eine Schlaufe mit weiteren (wie gut, daß ich alle vier dabei habe) und mache mich bereit. Johannes wird unter mehrfachem gegenseitigem 'Was sagst Du?' von meinem Plan informiert, dann steige ich hoch, baue vorsichtig meine ohnehin zweifelhaften Zwischensicherungen ab, erst das Pärchen im Ast, dann die Schlaufe um den Stachelbusch, hangele mich wieder zurück zur Kette. Was'n Akt! Immerhin habe ich jetzt die Krise hinter mir, gehe ruhig und besonnen vor.

Nur noch das Seil durch die Kette zu führen, nein, das Seil reicht gerade eben nicht bis zum Boden, aber das kriegen wir schon. Jetzt steht endgültig die Entscheidung an: Baue ich die Tour richtig auf für die anderen oder nur so, daß ich hinunterkomme, das Seil leicht abziehbar ist und fertig? Rösten, vierteilen, die Haut in Streifen abziehen, das werden sie mit mir tun, nachdem sie so lange gewartet haben und alles umsonst. Soll ich? Nein! Ich traue dieser Sicherung nicht und wenn ich sie aufbaue, bin ich verantwortlich. Muß ich ihr Gemaule auf mich nehmen, hilft nichts.

Vorsichtig abzuseilen, bloß langsam, bloß nicht ruckartig, bloß nicht zu sehr das rostige Zeug belasten. Unter mir geht's praktisch senkrecht ab, da ist kein Halt, nirgends. Auf halber Höhe Stop, Pärchen einsammeln, das Seil aus dem Weinstock befreien, tatsächlich so reicht es jetzt so gerade eben bis zum Boden, welch ein Glück.

Sehr laut dann: 'Ich will hierfür keine Verantwortung übernehmen bei der zweifelhaften Endsicherung.' Schade drum. Nächstes Mal vielleicht an einer anderen Stelle, Wiederkommen lohnt sicher.

Gelernt: Unbedingt weiteres Material zum Zwischensichern besorgen, Klemm"-keile, Friends sind notwendig hier. Kommunikation muß klarer werden, notfalls einen Dritten einspannen, der beide sieht und vermittelt. Der Bach ist ziemlich laut, die Wanderer ebenfalls, verbale Kommunikation sehr schwierig, optische Zeichen müssen entwickelt werden.

Langsam wird's spät, Martin drängt's zu einer Fete, wir verwerfen also den Gedanken, noch zumindest eine Teilroute aufzubauen, zumal auch die V+~Route eher nach 6 oder mehr aussieht, sondern kehren um heim. Abzweig hinunter ins Bachbett, Boulderfelsen im Stockwerkformat, links vorbei, rechts vorbei, oben drüber oder gar fast drunter durch, zweimal quer durch den Bach, so haben alle noch wenigstens eine kleine Krabbelei und sind etwas weniger unglücklich.

Auf dem Rückweg mit Tigerchen entdecken Dirk und ich einen Garten mit Kirschbäumen, Lampions, Musik, Tischen und Stühlen und vor allem Wein und Tapas. Ein leckerer leichter Rose, diverse Gläschen für jeden, Tapas aller Art, Dirk 'freut' sich besonders über die Schnecken. Zwei Stunden bleiben wir hier, genießen das Leben und reden übers Genießen 'Life is great!' und allerhand mehr. Wie gut es sich anfühlt, am Leben zu sein und es mit aller Kraft und jeder Faser zu spüren! Weit nach Mitternacht erst Aufbruch, home zum Hostal, Tigerchen brüllt, wir sind trunken von Lebensenergie, nein, uns ist nichts passiert unterwegs, und SCHLAFEN.