Subject: Ich hab' das Paradies geseh'n!

Ich hab' das Paradies geseh'n. Nochmal Los Cahorros, wunderhübsches Klettergebiet, von Granada ein paar km Richtung Sierra Nevada. Schlucht, Murmelbach mit Wasserfällen, steile Felsen links und rechts, meist kalkig in rotbraunockeroliven Farbtönen, Bäume und Büsche drin, vor allem wilde ungenießbare (ich hab's probiert) Feigen, Wein und allerhand Rankzeugs. Klettertouren zwischen einer und vier Seillängen, die Schlucht also vielleicht bis zu 100m tief.

... und grausig gutzt der Golz.

Mark und ich fahren mit Tigerchen vor und wollen die letzte verzeichnete Tour aufbauen, ganz hinten in der Schlucht am letzten verzeichneten Klettersektor. Aber welche ist das? Keine Namen dran, wo hören die Haken auf? Wir laufen weiter den Bach entlang, schon das erfordert wegen der in den Weg hineinragenden überhängenden Wand etwas bis etwas mehr Kletterfeeling, durchqueren den Bach entlang eine Höhle, am Ausgang Haken weit jenseits des Gebiets des papiernen Kletterführers, eine hübsche Tour, nette Farben, große Griffe, das will ich probieren, auch wenn's zwischendrin haarig aussieht. Aber erstmal weiterlaufen, gucken, staunen, freuen, ästhetischer Genuß, traumschön: Ich bin im Paradies. Andalusien nochmal ganz anders, welch ein vielseitiges Land!

Free Solo? Dirk?

Während Mark und ich uns anschirren, betrachte ich den Fels: Die Farbverläufe, die glatte Oberfläche -- ich wette, das ist im Winter ein Wasserfall, der derzeit ausgetrocknet ist. Und tatsächlich, die Wand ist sauglatt, glattgeschliffen, erweist sich als viel schwieriger, als wir es uns vorgestellt haben. Zwei Touren eng nebeneinander, ich nehme im Zickzack sämtliche Haken mit, jedenfalls soweit wie ich komme. Ich muß eine halbe Ewigkeit gebraucht haben, das Seil hängt schließlich an zwei Haken auf gleicher Höhe etwa 8m über dem Boden. Mehr ist nicht drin, beim besten Willen nicht.

Mark steigt hinterher, zieht die unteren Züge komplett aus den Armen, und als es interessant wird, geht ihm die Kraft aus. Trotzdem zeigt er Konsequenz und Revierverhalten, jede Tour wird mark-iert, mit einem ganz besonderen Saft. Warten auf die anderen, aus Langeweile und Neugier versuche ich, nebendran noch Touren aufzubauen, komme dreimal mit riesigen Untergriffen und Aufspannen bis zum jeweils ersten Haken und Ende. Was nun, wann kommen die anderen, kommen sie noch, werden sie Marks Wegzeichen entdecken und verstehen? Mark quengelt, will klettern, also darf er nochmal hochsteigen und abbauen.

Da! Ein violettgebatiktes T-Shirt taucht aus dem Dunkel der Höhle auf. Daniel! Und Dirk und Gerd und im Bach watend Johannes. Mark quengelt wieder, kommt nicht mehr rauf und will nicht runter, ich hänge über dem Bach am anderen Ende des Seils wie im Seglertrapez, Mark, nein, nicht abbauen, sondern die anderen wollen auch klettern. Wenigstens diesmal, nachdem sie beim letzten Los Cahorros Besuch in die Röhre gucken mußten.

 

Gerd fällt raus
Dynamo!

Dirk nimmt den Anfang souverän, dann geht ihm die Kraft aus. Gerd steigt superelegant, dann geht ihm die Kraft aus. Welch ein Genuß ihm zuzugucken, ihn beim aus-der-Wand-fallen zu photographieren. Ab jetzt darf er wieder mit, die wahren Verhältnisse sind wieder hergestellt. Schon so spät? Daniel verzichtet daher souverän, und Johannes steigt auf zum Abbau. Währenddessen einpacken, schnell nach Hause zwecks Wahrung des folgenden Dates, nur Johannes und ich bleiben zurück. Super-Hannes steigt bis in vorher unerreichte Höhen, baut ab, braucht dafür richtig lange, aber feine präzise Aktion.

Auf dem Rückweg auf der anderen Seite der Schlucht eine kletternde Spanierin entdeckt. Was es alles gibt! Laut bedauernder Aussage eines befreundeten spanischen Judoka, 3. Dan, sind spanische Frauen dazu erzogen, schöne Püppchen zu sein, Kampfkunst, Klettern und ähnliche Aktivitäten passen nicht ins Bild. Machismogesellschaft, beiderseits, nach wie vor halt. Schade drum, aber offenbar doch nicht ohne Ausnahme.

Braus back to Hostal, duschen, Taxi billig, zum Geheimtip 'Las Tomazas' -- Feines Restaurante mit Alhambrablick, feines Essen, feines Trinken, diverse Weine und ron de siete años, feine Unterhaltung, rüdes Ignorieren der zwischenzeitlich sich dazugesellenden Finnen (sollen sie doch Deutsch lernen), feiner Abschied für Volker und Martina, den Berg hinabrollen, irgendwann gabeln wir uns, Volker zu Martina: 'Komm hier entlang, wir müssen noch ins gleiche Hotel!' Martina bedauernd: 'so ist das, wenn man verheiratet ist' und trottet hinterher. Andersrum gabelnd weiter hinunterrollend kommen wir praktisch direkt vor dem Hotel heraus, müde, vollgefressen und (wonne)trunken verzichten wir auf den Gag, noch auf die anderen zu stoßen.